von Prof. Dr. Hiltrud Kier
Die Welt der Schausteller und die von ihnen veranstalteten Volksfeste faszinieren uns alle von Kindheit an. Wie sehr ihre ganz besondere Atmosphäre mit der speziellen Architektur und ihrer Dekoration zusammenhängt, haben wir wohl immer geahnt. Umso erstaunlicher mag es erscheinen, dass es darüber bisher noch keine umfassende Publikation gab, die diesem Faszinosum auch wissenschaftlich nachgeht.
Ein entscheidender Grund dafür ist, dass in die sehr geschlossene Welt der Schausteller keine Außenstehenden Einblick erhalten. So ist es ein absoluter Glücksfall, dass mit Margit Ramus aus der Schaustellerfamilie Schoeneseifen eine bis heute hauptberuflich als Schaustellerin tätige Kunsthistorikerin sich dieses Themas annahm.
In mehrjähriger intensiver Forschung konnte sie das vorliegende umfangreiche Material zusammentragen sowie die nur in geringem Umfang veröffentlichte Literatur zu dem Thema sichten. Auf Reisen quer durch die Republik konnte sie bei den Besitzern die Objekte in Augenschein nehmen, fotografieren, die jeweils individuelle Geschichte erforschen und in öffentlichen Archiven nach entsprechenden Unterlagen suchen. Dabei ergab sich im Staatsarchiv Gotha (zugehörig zum Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar) ein wichtiger Aktenfund zu dem bedeutenden Hersteller Fritz Bothmann und erfreulicherweise konnte das Historische Archiv der Stadt Köln (Stadtarchiv) noch ausgewertet werden, ehe es 2009 einstürzte und damit für Jahrzehnte der Forschung entzogen ist. Wichtige Sammlungsbestände ergaben sich unter anderem auch im Stadtmuseum München und im Markt- und Schaustellermuseum Essen.
Zusätzlich zu den Besitzern wurden auch ertragreiche Gespräche mit den Herstellern und Malern der Objekte geführt. Nicht selten aber erlebte Margit Ramus, dass Unterlagen und Fotos bereits vernichtet worden waren. Ein besonderes Kuriosum ist wohl, dass die älteren Jahrgänge der für die Schausteller zuständigen Fachzeitschrift „Komet“ (gegründet 1883) in einem feuergesicherten Schrank verschlossen und nicht zugänglich sind. Vielleicht findet sich aber doch noch eines Tages der Schlüssel, damit auch diese Dokumentation in das Privatarchiv von Margit Ramus aufgenommen werden kann.
Denn sowohl die vorliegende opulente Publikation als auch die noch viel umfangreicheren Bestände ihres Privatarchivs werden die unerlässliche Grundlage bilden, wenn es um die angestrebte Anerkennung geht, die Bedeutung der Volksfeste als Kulturgut durch die UNESCO zu erreichen. Dabei ist auch die nunmehr wissenschaftlich belegte Erkenntnis von Bedeutung, wie sehr die Verbindung und Abhängigkeit zur sogenannten Hochkultur besteht, deren Festdekoration auf diese Weise der breiten Bevölkerung erschlossen wird. Dies ist auch die Grundlage, dass neubarocke Formen bis in die Gegenwart ein besonders breites Spektrum der Gestaltung einnehmen und eigentlich nur über technisch bedingte Objekte, wie zum Beispiel die Raketenbahn oder die Autoskooter, auch sachlichere Dekorationsformen verwendet und dabei vermutlich auch erwartet werden.
Insgesamt ist es ein sehr breites Spektrum, für das nun eine umfangreiche Dokumentation vorliegt, die die Ernsthaftigkeit des Leichten und Spielerischen in der Architektur und Dekoration des Schaustellergewerbes für alle sichtbar macht.