Dr. Margit Ramus Doppelleben
Schon immer hat sie sich der weit verbreiteten Meinung entgegengestellt, auf der Kirmes braucht man kein Abitur – Lesen, Schreiben und Rechnen reichen aus: Margit Ramus.
Seit ihrem 15. Lebensjahr arbeitet die Schaustellerin aus Überzeugung auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten. Mit Mitte 40 machte sie ihr Abitur, schrieb sich an der Universität Bonn ein. Ihre Dissertation schloss sie 2013 mit „summa cum laude“ ab – und ist seither Deutschlands einzige aktive Schaustellerin mit Doktorwürden.
Schaustellerin könne man nicht aufhören zu sein, beginnt die 1951 in Andernach geborene Unternehmerin zu erzählen. Und in der Tat – wer Margit Ramus etwa auf Pützchens Markt oder den Kölner Weihnachtsmärkten erlebt, wie sie ihre gebrannten Mandeln und andere Leckereien darreicht, spürt das Herzblut, das in ihren Adern fließt.
„Meine Familie Schoeneseifen ist immerhin in der sechsten Generation als Schausteller tätig.“ Nach dem vorzeitigen Abbruch ihrer Schulzeit arbeitet sie ab 1966 im elterlichen Betrieb. 1969 heiratet sie den Schaustellersohn Manfred Ramus. Wenig später gründen sie ihren eigenen Betrieb und übernahmen von den Eltern die „Jaguar-Bahn“, einen Musikexpress von Heinrich Mack. 1983 ließen wir dort auch die „Süße Lokomotive“ bauen. Sie ist bis heute in Deutschland einzigartig.“
So einmalig und bemerkenswert wie auch der weitere Werdegang von Margit Ramus. „Wir bekamen zwei Kinder, Peter 1971 und Yvonne 1974. Beruflich waren wir erfolgreich und dennoch war der Wunsch zu lernen und mich weiterzubilden immer da. Ich konnte mir vieles kaufen, nur das Wissen musste ich erwerben.“
Nachdem Peter 1991 unter tragischen Umständen verstirbt, beginnt sich die Welt von Margit Ramus zu verändern. „Um meine Trauer zu bewältigen, begann ich Erinnerungen an meinen Sohn aufzuschreiben. Ende 1993 kam es zum Bruch meiner Ehe und somit zu einer neuen Lebenssituation. Mit einem kleinen Mandelwagen verdiente ich meinen Lebensunterhalt.“ Gleichzeitig und spontan beschloss sie, noch einmal zur Schule zu gehen.
„Mit 44 Jahren meldete ich mich in einer Bad Godesberger Privatschule an.1998 erfüllte sich mein Traum, ich machte mein Abitur. Zum Wintersemester 1998/99 schrieb ich mich an der Uni Bonn im Fach Kunstgeschichte mit den Nebenfächern Neue Deutsche Literatur und Neuere Geschichte ein.“
Leben in zwei Parallel-Welten
Und so begann das Leben in zwei Parallel-Welten: Pendeln zwischen Hörsaal und Bibliothek sowie Mandeln und Kirmes-Bude. „Als Abschluss des Studiums im Juni 2004 schrieb ich die Magisterarbeit: Wie alles begann — Jahrmarkt, Fahrendes Volk und Karussells. Professorin Dr. Hiltrud Kier, ermutigte mich dann, das Thema mit einer Doktorarbeit fortzusetzen.“
Ihre Dissertationsschrift, Kulturgut Volksfest Architektur und Dekoration im Schaustellergewerbe‘ beleuchtet detailliert das bis dahin nicht erforschte Thema des Designs von Karussellen und Volksbelustigungen aus kunsthistorischer Sicht. „Für mich war der Weg das Ziel. Es war eine schöne Zeit, die mir über vieles hinweggeholfen hat. Eine andere Welt hat sich mir geöffnet“, fasst Dr. phil. Margit Ramus ihre zweite Karriere zusammen. Und ihre Doktorarbeit ist gewiss nicht das Ende ihrer akademischen Laufbahn. Themen dafür gibt es fast so viele wie Schausteller auf Volksfesten.